Matthias Müller-Gliemann, 2019: "Meine Stärke und mein Lied"
Wir schreiben den 28.Januar 2014.
Yarmouk, ein Viertel von Damaskus in Syrien. Auf dem Pausenhof der Mittelschule ist die erste Bombe eingeschlagen. Yarmouk liegt in Schutt und Asche. Eine der Raketen hat sich in den Keller der Kirche gebohrt, in dem Dutzende von Familien noch Zuflucht gesucht hatten. Das Krankenhaus - nur noch ein Berg aus Geröll. Die Palästinastraße, die voller Geschäfte gewesen war, liegt verlassen da, die Zerstörung war hier besonders schlimm. Betongerippe ragten überall in den Himmel wie riesige Grabmale. Angst und Zerstörung überall. Momentan ist alles still.
Und zwischen all den Trümmern, mitten auf der Straße spielt ein Mann Klavier.
Die Musik die der Pianist Aeham Ahmad geschrieben hat sprudelt nur so aus ihm heraus. Er spielt und singt, spielt und singt an gegen den Krieg. Der Honigverkäufer hat ihm die Zeilen gegeben, er sah schrecklich aus, als er Aeham den Zettel gab, seine Frau hat nicht überlebt. Honig gibt es schon lange nicht mehr.
Und Aeham Ahmad spielt für ihn, und er singt seine Zeilen.
Eine alte Frau die es irgendwie geschafft hatte, taucht plötzlich auf, in der Hand ein Tablett. Dass jemand mit einem Klavier an diesem trostlosen Ort aufkreuze, das hat sie so sehr begeistert, dass sie mit ihrem letzten Kaffee hierhergekommen sei, sagt sie. Den sie seit langem aufspare für einen besonderen Anlass. Und der sei genau jetzt. „Was ihr macht, das ist sehr wichtig“, sagt sie. Dankbar lächelt er sie an und geniesst den bitteren Kaffeegeschmack.
Und Aeham Ahmad spielt für sie.
Aeham wollte einfach nur wenigstens irgendetwas tun. Und tut das was er so wunderbar kann. Und seine Musik klingt seltsam wunderbar, die Töne fliegen wie leuchtende Ballons durch die graue lichtlose Straße, und die spitzen Trümmer können sie nicht zum Zerplatzen bringen.
In diesem Augenblick bemerkt Aeham drei Vögel. Sie saßen auf einem noch stehengebliebenen Balkongeländer, direkt über ihm. Eigentlich lässt jede Granate und jede Bombe als erstes die Vögel fliehen, und verirrten sich doch mal wieder welche nach Yarmouk, wurden sie gleich heruntergeschossen, die Mägen waren schließlich leer.
Und als Aeham spielt, beginnen die Vögel wieder zu singen.
Zu mehreren hatten sie das 250kg schwere alte Klavier auf dem Transportwagen mühsam über die Trümmer bis hierhergeschoben. Sein Freund Niraz, der Fotograf hat seine Kamera dabei, er filmt. Denn Aeham will ein Zeichen setzen, ein Zeichen der Hoffnung und des Protestes gegen den sinnlosen Krieg. Die Bilder verbreiteten sich noch am gleichen Tag über youTube in die ganze Welt.
Aeham Ahmad spielt für uns.
Das ist tatsächlich alles genau so geschehen. In einem Vorort von Damaskus in Syrien, vor gerade einmal 5 Jahren. Aeham Ahmad stammt eigentlich aus Palästina. Seine Eltern sind mit ihm nach Syrien geflohen, um dem Krieg zu entkommen. Aeham Ahmad musste aus Syrien weiterfliehen, er lebt heute in Deutschland.
Vor kurzem war Aeham Ahmad in der Kirche in Solingen zu Gast. Er reist durch das Land, will mit seiner Musik und seinen Texten aufmerksam machen auf den Wahnsinn des Krieges, etwas das viele von uns nicht mehr kennen - zum Glück.
Der Flüchtling Aeham Ahmad hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Und die Vögel werden wieder singen“, seine Geschichte. Das zu lesen ist so bestürzend wie Mut machend.
Was für eine Welle der Hilfsbereitschaft hat die Flüchtlingswelle bei vielen in Deutschland ausgelöst. Und was für einen Sturm der Entrüstung bei vielen Anderen. Auch wenn es durch die gestrandeten Menschen seitdem hier niemand wirklich schlechter geht.
Die überfüllten Flüchtlingsboote mit den ausgezehrten Menschen, die alles zurückgelassen und ihr Handvoll Leben und das ihrer Kinder noch gerade so bis hierher retten konnten, werden immer wieder abgewiesen.
Aeham haben wir kennengelernt, er ist willkommen. Sollten wir dann nicht auch den Namenlosen die Tür öffnen, sie hereinbitten, zuhören, was sie berichten.
Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein' höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewig's Wort.
Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein’ teure Last;
das Segel ist die Liebe, der Heilig’ Geist der Mast.
„Klopfet an so wird Euch aufgetan“, so steht das in Lukas 11. Das funktioniert natürlich nur, wenn dann auch jemand mal die Türe aufmacht. Und wenn das plötzlich so konkret wird wie in diesen Tagen, gerade dann sind wir von Jesus in die Verantwortung gerufen. Er gibt uns dafür alle Kraft. Unsere Stärke, unser Vertrauen und unser Lied ist der Herr (2.Mose 15,2).
HERR, du bist meine Stärke (Psalm 28,8) und Kraft (Jeremia 16,19), mein Psalm und mein Heil (Jesaja 12,2), mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz (Psalm 18,2), mein Fels und meine Burg und mein Erretter (Davids Danklied, Samuel, 2,22), Sonne und Schild (Psalm 84,11) Singet dem HERRN ein neues Lied; singet dem HERRN alle Welt (Psalm 96,1-3). AMEN
© Matthias Müller-Gliemann
Michaela Jacobs, 2015: "Freude und Leid geteilt"
Wenn geteilte Freude sich vervielfacht und geteiltes Leid sich erleichtert ist man unter Freunden. Die Fußwallfahrt mit der St. Matthias Bruderschaft aus St. Tönis ist genau das: ein Zusammentreffen mit Freunden.Hier ist völlig egal, wer man ist, wo man her kommt, was man verdient oder wie man aussieht. Hier ist jeder willkommen. Hier wird man Teil eines Teams. Hier ist man zusammen und keiner ist alleine.Ich durfte dieses Jahr bereits zum 19. Mal mit nach Trier gehen und diese Wallfahrt war nicht nur für mich ein besonderes Erlebnis. Ich war gesund, ich war frohen Mutes und ich war motiviert! Wallfahrt bedeutet eben nicht „nur“ beten! Es bedeutet Freunde finden, Freunde treffen, gemeinsam lachen aber auch Leid teilen!Manche gingen diesen Weg nicht nur für sich, sondern hatten schwere Gedanken anderer Menschen im Gepäck. Wieder andere hatten Verluste erlitten und nahmen dieses Gefühl mit auf den Weg. So fuhren gleich zwei Pilger zwar zur Wallfahrt mit, unterbrachen diese aber, um zu Beerdigungen zu fahren. Das zeigte mir mehr als deutlich den Stellenwert, den die Wallfahrt in den Herzen der Teilnehmer hat.Der Wecker ging also am Donnerstag für meinen Geschmack viel zu früh. Doch ich freute mich auf die Zeit! Die Luft war klar, der Tag brach an und die Vögel sangen ihr schönstes Lied als wir in das Taxi zum Treffpunkt stiegen. Hier sammelten sich nach und nach alte Hasen und neue Pilger. Neugierige Augen trafen auf freudige Gesichter. Die Müdigkeit wich einer angenehmen Aufregung. So konnte es also losgehen.Wir wanderten 3 Tage unter dem Motto „Mit Freude umgürtet“ durch die Eifel. Unser Weg führte uns der Sonne entgegen, die extra alle Fenster geputzt hatte, um uns mit ihrem strahlenden Antlitz zu erfreuen, durch die wundervolle Natur der Vulkaneifel. Uns erwarteten endlos scheinende Löwenzahnwiesen und Rapsfelder, matschig weiche Waldböden, lebendige Wälder mit ihren Seen, Bächen und zwitschernden Bewohnern, jedoch auch kleine Hindernisse. So versperrte uns beispielsweise ein umgestürzter Baum den Weg. Doch niemand wurde hier allein gelassen! Jeder konnte dieses Hindernis mit der angebotenen Hilfe bewältigen.Abends wurde gemeinsam geklönt, gelacht und gesungen, obwohl nach den Strapazen des Tages das Bett laut rief.Man könnte meinen, nach langen Tagen und fröhlichen Abenden sei das Frühstück ruhig und grummelig. Nicht aber mit dieser Gruppe! Die Laune war schon früh morgens gut. Die Tage starteten mit jeder Menge Pilgern, die guter Dinge waren und sich auf die Strapazen des Tages freuten. Die Beine waren teilweise schwer und die Füße übersäht mit Blasen. Doch das hielt niemanden davon ab, den Weg weiter zu beschreiten. Es war wirklich eindrucksvoll und mit jedem zurückgelegten Kilometer rückte das Ziel der Pilgerreise näher: St. Matthias in Trier, Grabstätte des Apostels Matthias.Es waren tolle Tage! Ich habe viel für mich mitgenommen. Ich konnte mich mitteilen und fand für manche Situationen Lösungen. Für andere Gedanken fand ich neue Blickwinkel und für mein Herz fand ich Wärme.Der Weg war ein Abbild des Lebens: manchmal angenehm zu erleben und manchmal schmerzhaft zu überwinden. Es gab Höhen und Tiefen. Doch in der Gemeinschaft lag ein besonderes Gefühl. Wir waren mit Freude umgürtet. Das Motto war Programm!Auch die schweren Gedanken fanden ihre Zeit. Man sagt, geteiltes Leid ist halbes Leid und in manchen Fällen schienen die Gespräche und das Gefühl nicht alleine mit etwas zu sein, Erleichterung zu verschaffen, gar Knoten zu lösen. Manche Seelen fanden wie durch Fügung ein passendes Gegenstück in der Gruppe, um den Kummer in Stärke zu verwandeln. Der Verlust von Menschen trifft uns hart. Doch offene Herzen helfen, weiter nach vorne zu schauen, Andenken zu wahren und Geschichten größer werden zu lassen.Wenn man das Gefühl hat, Teil von etwas Großem zu sein, ohne verloren zu wirken, so ist man ein Stück weit zu hause. Ich war zu Hause unter all diesen Menschen. Sicher waren es sehr viele und ich habe nicht mit jedem sprechen können. Trotzdem habe ich neue Freunde gefunden, Freundschaften intensiviert, meine Seele aufgeräumt und tierisch Bock auf nächstes Jahr!
© Michaela Jacobs
Richard Jacobs, 2015: "StockApp"
Ich erinnere mich an meine erste Wallfahrt zum heiligen Matthias nach Trier noch sehr gut. Meine Frau Monika traute sich nicht, mir den wahren Grund einer Wanderung mitzuteilen, an der sie gern mit mir teilnehmen wollte. Sie lud mich im Frühjahr 1977 zu dieser Eifelwanderung mit Pastor Harperscheid ein. Meine Schwiegermutter Kläre schenkte mir aus diesem Anlass einen schönen Wanderstab aus Bambus.
Dann holten die Mitwanderer auf dem Lieserpfad ihren Rosenkranz heraus, und dieser wurde gebetet. Ich, damals noch Protestant, war seltsam berührt. Die "Eifelwanderung" war also eine Wallfahrt nach Trier.
Diese Wallfahrt hat bei mir großen Eindruck hinterlassen. Nun gehe ich seit fast 40 Jahren ohne Unterbrechung diesen Weg mit einer nach wie vor wachsenden Pilgergruppe. Der Wanderstab wurde von Jahr zu Jahr für mich eine immer größere Hilfe.
Bei unserer diesjährigen Wallfahrt am Himmelfahrtswochenende 2015 hatte ich nun ein besonderes Erlebnis mit meinem Stock: Am zweiten Tag hatten wir eine neue Wegstrecke von Gladbach nach Heidweiler zu laufen, und ich wollte ein besonders schönes Motiv fotografieren - aber ein Bildstock, angebracht an einem Baum, sollte nicht mit auf mein Foto. Ich stieß also meinen Wanderstab in die Erde, um meine Kamera besser bedienen zu können. Dann ging es schnell weiter, um die Gruppe wieder einzuholen.
Abends in der Jugendherberge in Manderscheidt fragte ich Monika dann nach meinem Stock, denn erst da fiel mir auf, dass er mir fehlte. Er war nicht auffindbar. Was nun!? Von unserer Not hörten Karin und Ingrid. Sie wussten, dass sie mir den Stock in Gladbach in der Kirche in die Hand gegeben hatten, und meine Tochter Regina hatte gesehen, dass ich den Stock für das Foto in die Erde gerammt hatte. Sie fragte mich: Willst du den Stock nun wiederhaben oder nicht?
Also machten wir uns auf den fast einstündigen Weg mit dem Auto nach Gladbach. Dort angekommen war es stockdunkel. Also mussten wir den Wanderweg von Gladbach nach Heidweiler unter erschwerten Bedingungen mit einer Handylampe und einer Kurbeltaschenlampe absuchen. Aber der Stock war nicht zu sehen. Ich gab nach 20 Minuten auf, und wir gingen den gleichen Weg zurück. Auf dem Rückweg haben wir die Bäume und Büsche mit unseren Lampen noch einmal beleuchtet.
Auf einmal, 10 Minuten vor Gladbach, sah ich den Bildstock, den ich nachmittags nicht auf meinem Foto haben wollte.
Ich sagte zu Regina: Hier habe ich die Aufnahme gemacht. Hier muss er zu finden sein, falls ihn nicht schon Wanderer mitgenommen haben.
Ich fand nichts und ging enttäuscht weiter. Regina blieb zurück und gab nicht auf. Plötzlich ein Ruf: Ich habe ihn, ich habe mit Oma gesprochen: "Oma, du hast den Papa in deinem Leben so oft geärgert. Jetzt sorge bitte dafür, dass der Stock wieder auftaucht."
Tatsächlich, der Stock war wieder da, und wir beide fuhren nach Manderscheidt zurück. Es war inzwischen Mitternacht, und wir waren überglücklich.
Sebastian Kamman später über das Leucht-Handy mit eingebauter Finde-Funktion: "Das ist ja eine StockApp."
© Richard Jacobs
Matthias Müller-Gliemann, 2014: "Auf dem Weg des Friedens"
Shalom !
Das ist der gängige Gruß unter Juden in Israel. Shalom bedeutet im Hebräischen Unversehrtheit, sei wohlbehalten, sei im Frieden.
Salem aleikum – und der arabische Gruß im islamischen Teil der Stadt bedeutet auch hier: Friede sei mit Euch.
Schon damals gab Jesus den Friedenswunsch seinen Jüngern mit auf den Weg. Und im gelobten Land, das inzwischen in Israel, Syrien, Palästina und Jordanien geteilt ist, begrüßen sich bis heute die Menschen mit diesem Friedenswunsch – auf beiden Seiten der immer wieder erbittert umkämpften Grenzgebiete.
In Jerusalem, da herrscht lautes Treiben. An den Stätten von Jesu Leid und Kreuzigung wird gedrängelt und geschoben. Im Garten Gethsemane, dort wo Jesus um die Menschen geweint hat, werden alte Olivenbäume bewundert und wird die Sonne genossen. Nur der Pater am Eingang kann gerade noch verhindern, dass ein Tourist auf einem Miet-Esel wie dereinst in den Garten reitet. In der Todesangst- Basilika wird lautstark diskutiert über das wohl beste Fotomotiv. Und in der Grabeskirche posiert man in der Berührung des Steines, auf dem der Leichnam Christi dereinst lag, stolz in die Kamera blickend, ja ich bin dort gewesen, und um vielleicht schnell noch das Gefühl festzuhalten, Gottes Gnade ganz nahe gewesen zu sein.
Und dennoch, ungeachtet der Respektlosigkeit, mit der es am Ort des wohl größten Verbrechens der Menschheit zugeht, inmitten von all dem gibt es Frieden. An den Altären von Gemeinden aus aller Welt versammeln sich ungezählte Menschen zum gemeinsamen Gebet. In Stille und Respekt vor der Würde des Herrn findet in der Gemeinschaft der Messe die Begegnung mit Gott statt, mitten im Tumult.
Vor 2000 Jahren mag es nicht viel anders gewesen sein, als Jesus die Synagogen betrat, lehrte und predigte, und die Menschen zur Umkehr aufforderte. Wie weit sind wir seitdem gekommen?.
Auf dem Schild steht "Welt Friedens Zentrum" in Hebräisch, Arabisch
und Englisch, ...
... aber in Jerusalem ist die Tür zum Frieden verriegelt.
Jesus hatte sich aufgemacht aus der Gegend um den See Genezareth nach Jerusalem, immer auch auf der Flucht vor seinen Verfolgern, mehr als 100km teils quer durch die heiße, trockne und schier endlose israelisch-jordanische Wüste, der Weg weit und sehr beschwerlich. Er verließ seine Heimat, die auch als Ort vieler seiner Wundertaten in der Bibel überliefert ist, das grüne Land der sieben Quellen des Jordan, wo noch heute die Granatapfelbäume wachsen und sich die Klippendachse im Sonnenuntergang am Seeufer tummeln.
Das Benediktinerkloster in Tabgha und die Brotvermehrungskirche sind ein Ort der Ruhe und der Einkehr, ursprünglich und unverbaut. Hier, am See Genezareth, denke ich, hier hast Du mit Deinen Jüngern am Ufer gesessen, hier bist Du gewesen. Und – auf dieser Pilgerreise am Ufer des Sees gemeinsam eine Messe zu feiern, war und ist mehr als Worte sagen können.
Ganz in der Nähe, am Berg der Seligpreisungen erneuerte Jesus in der Bergpredigt die 10 Gebote. Hier fordert er uns Menschen auch zum Frieden auf, und er sagt uns wie das geht. Nicht über andere richten und Vergeltung üben, eben nicht Auge um Auge und Zahn um Zahn, vielmehr, liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.
Hier geht es aber nicht nur um Frieden entlang umkämpfter Grenzen zwischen Kriegsgebieten. Es geht um die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, zwischen Arm und Reich, zwischen Gemeinschaften und Ausgegrenzten, eben zwischen Menschen. Das ist so aktuell wie eh und je und geht mich und uns alle an, heute, jeden Tag.
Der Friedensgruß, den wir uns in jeder Messe einander zusprechen, ist für jeden, dem er mitgegeben wird, ein Glück. Die Aussicht auf Frieden, das ist wie ein Licht im Dunkeln. Doch mit dem eigenen Seelenfrieden und dem Wünschen allein ist es ja nicht getan. Denn man zündet eben nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern setzte es auf einen Leuchter, so leuchtet es denn allen die im Hause sind.
Friede ist also ein Stück Verantwortung für jeden von uns, jeden Tag. Das heißt aber auch, manchmal eben nicht im schönen Nazarener Land zu verweilen, sondern aufstehen und losgehen.
Am See Genezareth ist noch Frieden spürbar.
Frieden versuchen – gelegentlich ist es einfach, ohne großen Aufhebens eine Hand zu reichen oder eine Tür zu öffnen.
Aber manchmal ist es wirklich schwer, Partei zu ergreifen, sich die Zeit zu nehmen oder Risiken für Andere einzugehen.
Am Ende kann für uns selbst alles Mögliche stehen, Dankbarkeit oder Ignoranz, Unterstützung oder Gegenwind, Verständnis oder Ratlosigkeit. Aber darauf kommt es ja nicht an.
In Johannes 14 und weiter in Johannes 16 spricht Jesus so zu uns:
Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habet.
© Matthias Müller-Gliemann
Christel Bähner-Hox, 2012: "Erstpilgerbericht"
Was ist ein Erstpilger?
Zum Beispiel jemand, der wie ich vor dem ersten Mal ziemlich aufgeregt ist und hofft der Sache mental und körperlich gewachsen zu sein.
Nach dem ich schon viele Jahre begeisterte Schilderungen von neuen und langjährigen Pilgern gehört hatte, waren meine Erwartungen hoch. Schon vor 30 Jahren hörte ich die ersten Berichte von Rosemarie Bürcks zur Trierwanderung und auch Uschi und Maria haben erheblich dazu beigetragen dass ich mich in diesem Jahr entschlossen hatte mich auf den Weg zu machen.
Von Anfang an fiel mir das herzliche Miteinander und die offensichtliche Freude an dieser gemeinsamen Aktion auf.
Alle "Erstpilger" wurden herzlich und offen aufgenommen und mit den Ritualen und Gepflogenheiten vertraut gemacht.
Das Wetter war uns gut gesonnen und die Strecke ein Traum. Es gab immer wieder neue Überraschungen für Augen und Seele.
Das reiche Angebot von Texten und Liedern regte zum Nachdenken an, brachte Impulse und war auch Gesprächsanlass.
Sehr unkompliziert kam ich mit vielen ins Gespräch.
Ernsthaftes, Persönliches aber auch viel Spaß und Humorvolles ließen die Zeit viel zu schnell vergehen.
Sehr deutlich signalisierten am Ende jedes Tages Füße und Beine dass es jetzt reicht und nicht mehr viel geht. Damit verbunden war auch die tägliche Vorfreude auf unsere schöne Herberge in Dodenburg und die nette Hausgemeinschaft.
Meine Oberschenkel konnten auch zwei Tage nach der Wallfahrt noch Laurenzia singen. Und das, obwohl ich muskelkaterbedingt pfuschen musste, was natürlich von einigen bemerkt worden war.
Bei Glockengeläut in St. Matthias einzuziehen war nach der körperlichen Anstrengung und den verschiedenen Emotionen ein besonderes Gefühl von Stolz und Zufriedenheit. Es war schön die Gratulationen der Gruppe zu erleben und mit zu erleben, wie begeistert alle auch nach vielen Jahren noch sind.
Ich würde gerne wieder mitgehen und an diese erste Erfahrung anknüpfen.
Die gesamte Organisation war hervorragend und auch im Detail überzeugend. Allein die Tatsache, dass immer genug Wasser zur Verfügung stand, und an den regelmäßigen Rastplätzen der Rucksack angefahren kam, war Gold wert.
Man fühlte sich wunderbar versorgt und umsorgt, was nicht zuletzt auch mit der großen Auswahl an Blasenpflaster zu tun hatte, die sofort bereit stand wenn ein erstes Stechen oder Ziehen sich ankündigte.
Allen Organisatoren und hilfsbereiten Menschen ein herzliches Danke dafür.
Diese Mischung aus religiösen Impulsen und Gebeten, die wunderschöne abwechslungsreiche Frühlingslandschaft, viele nette, interessante und kontaktfreudige Menschen, sind wunderbar geeignet die Seele aufzutanken.
© Christel Bähner-Hox
Claudia Müller-Gliemann, 2012: "In meinem Haus sind viele Wohnungen"
"In meinem Haus sind viele Wohnungen." (Johannes 14, 1-6)
Liebe Pilger, liebe Gemeindemitglieder.
Was haben wir da gerade gehört?
Jesus sagt zu uns: Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben – einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht. Eigentlich unerhört: man könnte meinen, Jesus sagt: nur wenn du zu uns gehörst, alles so machst, wie wir es sagen, dies genau tust und jenes lässt, dann hast du bei Gott einen Platz – aber genau das Gegenteil ist der Fall, denn etwas eher heißt es:
In meinem Haus sind viele Wohnungen.
Da können wir also doch aufatmen: Unter dem Dach der Einheit ist ausreichend Raum für die Vielfalt, anders formuliert: wir finden hier die in Jesus Christus versöhnte Verschiedenheit unter einem Dach – eigentlich eine wunderbare Umschreibung für die Ökumenische Bewegung, denn Ökumene ist das sichere Wissen um die vielen Wohnungen.
Wir sind hier zusammengekommen, weil wir uns gemeinsam auf diesen Weg eingelassen haben, der Jesus Christus heißt. Dieser Weg wurde schon oft unterbrochen, er wurde wie durch reissende Bäche unterspült, es wurden auch tiefe Schluchten in den Weg gefressen, auf dem alle Christen gemeinsam unterwegs sind. Ein Weg, der alle verbindet, die im Leben, im Kreuz und in der Auferstehung von Jesus Christus den Grundmaßstab ihres Lebens gefunden haben.
Und so passt in diesem Moment die Jahreslosung unserer diesjährigen Wallfahrt: ... und führe zusammen, was getrennt ist.
Es ist Zeit, über Brücken nachzudenken, sie zu bauen, damit der Weg, die Wahrheit und das Leben in unserer Welt sichtbar werden.
Doch wie werden Brücken gebaut?
Am Anfang wird erst einmal das Material am Lagerplatz gesammelt – da liegen Brückensteine neben Brückensteinen. Schön eng ordentlich aufgeschichtet, in Bündeln gelagert. Vielleicht fühlen sich diese Steine dabei so richtig wohl: Wellness ist angesagt, auch in der Kirche: Wir kuscheln eng bei einander, werden nicht belastet und fühlen uns dabei richtig wohl – Doch Brückensteine haben eine Aufgabe: sie müssen belastbar sein. Sie sind nicht Selbstzweck. Und es reicht nicht, wenn sie sich auf dem Lagerplatz eng zusammenskuscheln: dann waren sie teuer – und bleiben nutzlos. Erst wenn sie eingesetzt werden, haben sie einen Sinn. Dabei können sie noch nicht einmal selbst entscheiden, wo sie eingesetzt werden. Und es gibt einen großen Unterschied zu denen, die am Ufer auf dem Lagerplatz liegen: Steine am Ufer dürfen zusammen kuscheln, wenn ein Stein aus dem Stapel fällt, passiert nichts gravierendes. Die Steine einer Brücke müssen zusammenhalten, sonst stürzt die Brücke ein.
Brücken brauchen auch ein massives Fundament auf jeder Seite, in der Mitte sind sie am dünnsten, am gefährdetsten, am zerbrechlichsten. Die Mitte der Brücke braucht ein starkes Fundament, das trägt. Aber: Ohne diese gewagte Mitte hat die Brücke keinerlei Wert, kann sie ihre Funktion nicht erfüllen.
Und: die Mitte wird am stärksten belastet und hängt – im wahrsten Sine des Wortes – am meisten in der Luft – Der Brückenbau gelingt nur, wenn die Konfessionen bereit sind, uns zu tragen: um unserer besonderen Aufgabe Willen. Der Brückenbau gelingt nur, wenn wir bereit sind, uns tragen zu lassen und nicht versuchen, das Mittelteil der Brücke sozusagen an einem Lufthaken frei fliegend aufzuhängen – der Einsturz wäre vorprogrammiert.
Christen bauen seit über 150 Jahren an der Brücke der Ökumene. Und diese Brücke ist sehr weit fortgeschritten, sie ist fast fertig. Und wenn so lange an einer Brücke gebaut wurde, dann wäre es das Allerdümmste, sie nicht schnellst möglich fertig zu stellen. Und dies ist in der Ökumene nur noch eine Frage des guten Willens und des gewiss nötigen Mutes.
Unsere Wallfahrt führt auch die verschiedensten Menschen zusammen – im miteinander Gehen verlieren die Unterschiede jedoch an Bedeutung. Gemeinschaft ist ein Miteinander in gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe. So ist es auf der Wallfahrt: Rang und Namen, Positionen und Titel spielen keine Rolle. Im gemeinsamen Gehen entsteht Schritt für Schritt eine Gemeinschaft: Menschen öffnen sich füreinander, kommen auch über Themen ins Gespräch, die es im Alltag schwer haben. Manches Belastende kommt zur Sprache und wird aber in der Gemeinschaft mitgetragen.
Geht mein Gedanke an die Ökumene zurück, so fällt mir ein weiteres Symbol ein: das Labyrinth.
Ein besonders schönes, jedoch oft übersehenes befindet sich in der Kathedrale von Chartres, nicht weit von Paris entfernt. Es ist in den Steinboden eingelassen und hat einen Durchmesser von etwa 12,5 m. Legt man den ganzen Weg durch das Labyrinth zurück, muss man, um in die Mitte zu kommen, etwa 305 m weit gehen.
Lasst uns dieses Labyrinth von Chartres in Gedanken betreten und zeichnen wir den Weg zur Mitte nach: Es schein ja immer geradeaus zu gehen, ohne viele Umschweife und Umwege. Man meint auch, alles müsse und werde glatt verlaufen. Nach kleinen Schlenkern in unserem Labyrinth geht es dann wieder schnurstracks weiter. Die Mitte ist greifbar nahe, aber wir umkreisen nur die Mitte und kommen immer tiefer in Irrungen und Wirrungen hinein. Der Weg führt uns in dramatische Biegungen und Krümmungen, die uns immer weiter von der Mitte entfernen. Wo gehe ich eigentlich gerade?, könnte man sich fragen. Wo befinde ich mich eigentlich in diesem Labyrinth? Näher an de Mitte oder mehr an den Rand gedrängt? Und – was ist denn nun meine Mitte?
Es gibt Zeiten, wo wir näher an der Mitte sind, un Zeiten, in denen wir im Labyrinth weiter von ihr entfernt sind. Und doch: Unsere Wege, alle Wege bleiben, ob wir wollen oder nicht, auf diese Mitte im Sich-Nähern oder Entfernen bezogen. Der Weg hat schon etwas vom Ziel an sich. Es ist so, als ob unsere Wege wir auch immer letztlich um die Mitte kreisen.
Was nah und schnell erreichbar scheint, erweist sich als schwieriger, als man anfangs glaubt. Auch in der Ökumene sind wir mal näher dran und mal weiter entfernt von der sichtbaren Einheit der Kirchen. Mal gehen wir auf diese Mitte zu, dann werden wir wieder weiter weggeführt, müssen auf weiteren Umwegen weitergehen.
Eines macht das Labyrinth deutlich: Es ist wichtig weiterzugehen. Es ist wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: die gemeinsame Mitte unseres Glaubens, Christus im Zeichen von Kreuz und Rose.
Das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres gibt eine Antwort auf die Suche nach der Lebensmitte, nach Sinn und Ziel. Das Labyrinth drückt diese Antwort mit dem Symbol des Kreuzes im Labyrinth aus. Weg und Ziel stehen im Zeichen des Kreuzes. Es beantwortet die Frage nach der Mitte, nach dem Sinn in der Art einer alten Jüngerantwort: `Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Im Symbol des Kreuzes wird Christus als Sinn, Mitte und Ziel menschlichen Lebens gedeutet. Christus, der von sich sagt: Ich bin der Weg, der aus Sackgassen führt. Ich bin die Wahrheit, die Erkenntnis Gottes bringt. Ich bin das Leben, das den Tod besiegt.
Das Labyrinth führt zu einer Mitte, die mit dem Symbol der Rose oder einer Rosette gestalte ist. Die Rose ist von alters her ein Symbol für Christus: Dornen und Blüten für Kreuz und Auferstehung. Die Rose ist auch ein Zeichen der Gemeinschaft Gottes mit uns und untereinander, in der Freude und Leid geteilt werden.
Ich habe gelesen, dass an jedem Osterfest im 13. Jahrhundert der Bischof von Chartres und der ganze Klerus dieses Labyrinth mit einem Ostertanz umtanzt haben. Während die Mönche außen um das Labyrinth im Reigen getanzt sind, ist der Bischof das Labyrinth entlanggetanzt und hat den Mönchen einen Ball zugeworfen und sich wieder zuwerfen lassen. Der Ball war das Symbol der österlichen Gnade, die wir auf allen Stationen unseres Lebensweges empfangen können. Nun bin ich kein Bischof und Ihr seid keine Mönche, aber lasst mich in Gedanken Euch einen Ball der österlichen Gnade zuwerfen auf dem ökumenischen Weg zu unserer gemeinsamen Glaubensmitte Christus, damit wir ein Stück weit zusammenführen, was getrennt ist.
© Claudia Müller-Gliemann
Regulinda Heisig, 2011: "Und führe zusammen, was getrennt ist"
Angesichts der aktuellen Diskussionen in der römischen Kirche war es eine mutige Entscheidung, dieses Motto für die Wallfahrt 2012 zu wählen. Nicht nur die Laien, die Texte für die Andachten auf unserem Weg vorbereitet haben, griffen den offensichtlichen Bezug zu Bestrebungen zur Ökumene auf. Auch Abt Ignatius interpretierte das Wort in seiner Predigt beim Pontifikalamt am Sonntag um 10.00 Uhr auf dem Freihof der Abtei als Aufforderung an jeden Einzelnen, nach seinen Möglichkeiten zu helfen, "die Einheit, die den Christen durch die eine Taufe in Jesus Christus gegeben ist, deutlicher zum Ausdruck bringen.“ (Siehe auch http://www.abteistmatthias.de ). Man hätte sich wünschen können, dass er die vielen anwesenden evangelischen Christen – allein zu unserer Gruppe gehört eine stattliche Anzahl – explizit zur Teilnahme am Abendmahl eingeladen hätte. Aber das lag natürlich nicht nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten. Linda Heisig konnte dieses Jahr aufgrund einer Krankheit nicht mit nach Trier kommen, aber sie gab ihrem Sohn Stephan den folgenden Text mit, den er bei einer Andacht in ihrem Namen vorlas. Sie brachte uns besonders die ganz alltäglichen Konsequenzen der Teilung und die persönlichen Hoffnungen auf eine baldige Wiedervereinigung nahe. (ms)Bei der Bitte " Und führe zusammen, was getrennt ist." denken wir vorrangig an Ökumene, ein Anliegen der meisten Christen schon seit vielen Jahren. Mitten in einer Zeit, in der man eine ernste Krise der überlieferten christlichen Gottesdienstpraxis feststellt, wird der Wunsch nach gemeinsamen Abendmahl immer größer. Die Debatten, ob und wie ein gemeinsames Abendmahl zwischen evangelisch und katholischen Christen sinnvoll vollzogen werden kann, hören nicht auf. Inzwischen wächst eine neue Generation heran und die Probleme werden nicht weniger. Die Familienstrukturen haben sich grundlegend geändert. Es ist keine Seltenheit mehr, dass Ehepaare unterschiedlichen Konfessionen angehören. Spätestens bei der Taufe eines Kindes muss entschieden werden – katholisch oder evangelisch.So haben Großeltern Enkelkinder, eingebunden in christliche Familiengemeinschaften und trotzdem getrennt im Abendmahl. Bei der ersten hl. Kommunion kommen dann die Fragen der Kinder; warum der eine Kommunion und der andere Konfirmation Jahre später? Solchen und vielen anderen Fragen müssen sich Eltern und Großeltern in unserer Zeit immer öfter stellen und Lösungen finden. Lange Zeit zum diskutieren und debattieren bleibt da nicht.Die Mitglieder einer konfessionsgemischten Familie möchten miteinander uneingeschränkt an den Gottesdiensten der Kirchen teilnehmen können, zu denen die einen und die anderen gehören. Wir brauchen das Miteinander, um ein lebendiges Christentum zu behalten und wieder zu stärken. Eltern wissen aus Erfahrung, gemeinsame Tischrunden mit gemeinsamen Mahl bieten reichlich Gelegenheit miteinander zu sprechen, zu diskutieren und somit auch die Verschiedenheit eines jeden schätzen zu lernen. Die Gemeinsamkeit der Familien darf nicht verloren gehen. Sie ist ein kostbares Gut.Es gibt sicher noch viele Situationen im Leben, wo man inständig bitten könnte: „Und führe zusammen, was getrennt ist". Wenn schwere Schicksalsschläge hingenommen werden müssen durch plötzlichen Tod, schwere Krankheit aber auch grundlegende Veränderung eines jugendlichen Kindes. Wenn wir begreifen, dass unser Leben von Freude und von Leid geprägt ist und wir trotzdem das Miteinander halten, hat unser Glaube sichtbare Ausstrahlung. Unsere Wallfahrt zum Grab des hl. Mathias und auch die Wallfahrt zum hl. Rock sind Ausdruck dafür, dass wir auf einem guten Wege sind. Wir erleben, dass Christen unterschiedlicher Konfessionen mehr verbindet, als sie trennt. Was fünfhundert Jahre und länger getrennt ist, kann nicht in kurzer Zeit zusammengeführt sein. Wenn alle Christen guten Willens zu Kompromissen bereit sind und der Herrgott unsere Bitten hört, kann es gelingen. So kann das Christentum wieder zu neuem Leben erstarken.© Regulinda Heisig
Interview mit Richard Jacobs, 2011:
Richard, Du hast die Sankt Matthias Bruderschaft in St. Tönis gegründet.
Wie kam es dazu?
Gegründet habe ich sie nicht, sondern Pastor Harperscheidt, der zu der Zeit Pfarrer in St. Cornelius in Tönisvorst war, ist 1974 erstmalig mit einem Familienkreis nach Trier gepilgert. 1977 hat meine Frau Monika mich animiert eine Wanderung mit Pastor Harperscheidt und einigen St. Tönisern nach Trier zu machen. Unterwegs klärte man mich auf, dass es eine Fußwallfahrt nach St. Matthias, Trier ist. Diese Fußwallfahrt war so schön, dass ich bis heute nie mehr gefehlt habe..
Wann wurdest Du Brudermeister der Matthias Bruderschaft St. Tönis.
Offiziell gewählt wurde ich 1981. Auf einer Vorbereitungstour mit meinem Vorgänger Michael Frohn, erzählte er mir, dass er im folgenden Jahr nicht mehr dabei sein wird. Auf Grund einer schweren Erkrankung war abzusehen, dass er nicht mehr mitgehen konnte. Er bat mich sein Nachfolger zu werden. Ich stimmte dem zu, wenn auch mit viel Herzklopfen. Die Frage stellte er mir im Niersbacher Wald, dort wo heute das Pilgerkreuz der Matthiasbruderschaft St. Tönis steht.1984 wurden wir dann in die Erzbruderschaft des Heiligen Matthias aufgenommen.
Welchen Weg geht ihr?
Nach dem Reisesegen in St. Cornelius starten wir mit dem Bus und fahren bis zum Gemündener Maar. Von dort gehen wir los, über den Lieserpfad weiter nach Manderscheid bis Kloster Himmerod. Da wir an allen drei Tagen in Dodenburg übernachten, fahren wir von Kloster Himmerod zu unseren Unterkünften. Am nächsten Tag starten wir wieder ab Kloster Himmerod und gehen dann bis Dodenburg. Der dritte Tag führt uns bis St. Matthias in Trier. Der Empfang durch den Pilgerpater Hubert ist jedes Jahr ein Erlebnis. Die Erstpilger bekommen ihre Medaille und die Jubilare erhalten eine Kerze.
Kommen die Pilgerinnen und Pilger alle aus St. Tönis?
Nein, nicht alle Pilger kommen aus St. Tönis, auch aus dem Umland finden Pilger zu uns. Ebenfalls halten uns viele ehemalige St. Töniser die Treue und reisen aus Klagenfurt, Münster, Warstein und Vechta zu unserer Wallfahrt an.
Wie ich hörte, pilgerst Du auch mit der Bruderschaft von St. Clemens, Krefeld-Fischeln?
1985 sprach mich Pfarrer Peter Harperscheidt, der inzwischen als Pastor in St. Clemens in Krefeld Fischeln wirkte, an. Als langjähriger Brudermeister der St. Töniser den Pilgern von St. Clemens Unterstützung bei der Vorbereitung und auf dem Weg zu geben. Auch das ist inzwischen seit 25 Jahren so.
Ist die Vorbereitung einer Wallfahrt schwierig?
Da unsere Pilgergruppe immer etwa 65 Pilger umfasst, ist Quartiersuche und Organisation unterwegs immer eine große Herausforderung. All die Jahre habe ich dies mit großer Freude gemacht.
Warum gibst Du jetzt Dein Amt ab?
Ich bin zwar noch fit und will auch weiter mitgehen, aber ich denke gerade deshalb sollte man frühzeitig das Amt an Jüngere abgeben um eine gute Wallfahrt weiter zu garantieren. Ich freue mich eine jüngere Pilgerin gefunden zu haben. Damit hat auch die Matthiasbruderschaft St. Tönis eine Brudermeisterin.
Das Gespräch führte Beate Schaepers
Veröffentlich in "Pilgerbrief 2011 Nr 2" der Erzbruderschaft der Heiligen Matthias
Regulinda Heisig, 2010: "Die Kirche sind wir Alle"
Es ist Sonntagmorgen und eine junge Familie mit drei Kindern ist auf dem Wege zur Kirche. Alle fahren mit dem Fahrrad, nur die Jüngste hat ein Laufrad. Dem etwa Achtjährigen gelingt es, sich aus der Gruppe zu lösen und mit Geschwindigkeit um die nächste Ecke zu sausen. Ein lautes Geschrei lässt vermuten, er ist gefallen. Die Mutter tröstet, der Vater schimpft, die rufenden Glocken haben ihr Geläut schon eine Weile eingestellt. Alle wollen nach Hause und nur die Mutter sagt. „Der liebe Gott, freut sich immer, auch wenn wir jetzt etwas zu spät kommen."Die Gemeinde – gerade im stillen Gebet – da öffnet sich die Tür und die Familie tritt ein. Plötzlich das Stimmchen der Dreijährigen: „ Lieber Gott wir sind hier – freust Du Dich?" Die Fünfjährige weißt ihre Schwester laut zurecht. Viele Menschen drehen sich um, mit unterschiedlichen Reaktionen und Gesichtsausdrücken. Die Kleine wiederum sagt vernehmlich:" Die gucken aber komisch" und schmiegt sich an ihre Mama.Endlich haben alle gemeinsam in einer Bank Platz gefunden. Der Pfarrer unterbricht einen Augenblick und sagt dann zu den Kindern gewand:" Schön, dass Ihr da seid!" Dabei etwas Unruhe auf einigen Platzen !!!Ja, bei vielen unserer Mitmenschen gehört es inzwischen zum guten Ton den Pfarrer und die Kirche in ihrem Ablauf zu kritisieren. Den einen ist sie zu modern und der Pfarrer zu menschlich; den anderen zu altmodisch und die Predigten zu konservativ. Hinter vorgehaltener Hand wandert so manches Gerücht und erscheint alsbald als schlimme Tatsache. Das verunsichert alle.Der Kirche als Gemeinschaft wird auf diese Weise großer Schaden zugefügt, zumal die vielen guten und positiven Aspekte kaum Beachtung finden.Doch die Kirche , das sind wir alle! Wer an ihr herummäkelt, muss sich doch fragen lassen, warum er nicht dafür sorgt, dass alles etwas besser wird. Möglichkeiten dazu gibt es genug. Unsere Gottesdienste müssen nicht dürftig und manchmal auch unbefriedigend sein. In die Kirche gehört auch das Gespräch, die gegenseitige Achtung und die Freude.
Herr, erwecke deine Kirche
und fange bei mir an.
Mache lebendig unsere Gemeinde
und fange bei mir an.
Lass Frieden und Gotteserkenntnis überall auf Erden kommen
und fange bei mir an.
Bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen
und fange bei mir an. © Regulinda Heisig
Michael Schnell, 2009: "Seit zwanzig Jahren kein Außenseiter"
2009 war in vieler Hinsicht ein bemerkenswertes Jahr für die Sankt Matthias Bruderschaft St. Tönis und wird uns allen noch lange im Gedächtnis bleiben.
Im Vorfeld der Reise hatten die Organisatoren mehr Mühe als gewöhnlich gehabt, die notwendigen Quartiere im Eifeldorf für die rekordverdächtig hohe Zahl von 72 angemeldeten Teilnehmern sicherzustellen, da einige Privat-Unterkünfte auf Grund von Familienfeiern absagen mussten. Die erstmals angekündigte Gruppe von 10 Mädchen und Jungen aus dem Kreis der Messdiener, die es sich nicht nehmen lassen wollte, ihren beliebten, seit kurzem in St. Tönis aktiven Kaplan Dominik Heringer nach Trier zu begleiten, konnte schließlich in der Schule unseres "Heimatdorfs" untergebracht werden.
Das Wetter war dieses Jahr besonders angenehm und genau so, wie man sich es beim Wandern wünscht: trocken, aber nicht zu heiß.Erstmalig hatten mehrere Mitpilger Instrumente mitgebracht und Musikstücke eingeübt, so dass diverse Andachten und Lieder von einem Orchester aus Geige und Trompete und - in Kirchengebäuden - von Orgel und Klavier unterstützt wurden. Somit übernahm die Musik dieses Jahr eine tragende Rolle im Tagesablauf.Bemerkenswert war auch, dass ein Pilger sich schon zu Hause einen so schweren Infekt eingefangen hatte, dass er nicht mehr weiter konnte, nachdem er sich tapfer durch eine erhebliche Strecke des Weges gequält hatte. Die mitpilgernde Ärztin beschloss schließlich, dass er mit einem Begleit-Fahrzeug in ein Krankenhaus in Trier gefahren werden musste um eine Infusion zu bekommen, die seinen gestörten Flüssigkeits-Hauhalt stabilisierte.
... und in diesem Jahr überreicht mir der Brudermeister für die zwanzigste Teilnahme an der Trier-Wallfahrt die Ehren-Kerze, die die St. Töniser Bruderschaft aus eigener Initiative in privater Runde in Dodenburg vergibt, zusätzlich zu den offiziellen Ehrungen in der Basilika zum "Zehnten" und "Fünfundzwanzigsten".Wenn das kein Grund ist, meine Geschichte als "Trierpilger" Revue passieren zu lassen...
Es begann im Jahr 1989 Richard Jacobs ist der Brudermeister der St. Töniser Trierpilger. Ich bin seit fünf Jahren mit seiner ältesten Tochter verheiratet und Vater seiner dreijährigen Enkelin Franca. Er erzählte oft von seinen Wanderungen durch die Eifel nach Trier, seinen guten Gesprächen mit den Mitpilgern, die die unterschiedlichsten Gedanken mitbrachten, der schönen Landschaft und der fruchtbaren Gemeinschaft. Natürlich hatte ich reges Interesse an seinem "Lieblingshobby", das er mit meiner Schwiegermutter teilt, die sich eine für mich unerwartete tiefe Frömmigkeit erhalten hat, aus der sie immer wieder die Kraft für ihre vielen sozialen Aktivitäten schöpft. Meine Bedenken, mich als evangelisch aufgewachsener und schon lange kirchenfern denkender Mensch, den am Christentum nur die Aspekte berühren, die die Achtung vor Mitmenschen und Natur betreffen, einer katholischen Pilgergruppe anzuschließen, zerstreute er mit dem Hinweis auf die Toleranz seiner Mitwanderer.
Und genau so fand ich es auch vor, als ich tatsächlich mit meiner Tochter das erste mal zu der damals mit 44 Teilnehmern noch überschaubaren Gruppe stieß.Ein "Offizieller" der Kirche nannte vor einigen Jahren die St. Töniser Trier-Pilger einen "harmoniesüchtigen Hallelujaclub". Während mich dieses - vermutlich als wohlmeinende kleine Schmähung gedachte - Wort in meiner Kirchenferne bestätigte, nahmen es die meisten anderen Mitpilger als Ehrentitel in ihren Wortschatz auf, denn es gibt für sie kaum ein schöneres Ziel, das sich eine Gruppe von Christen setzen kann, als das Verständnis unter den Menschen zu fördern und ein "Halleluja" kann durchaus eine Station auf diesem Weg sein. So wurde ich überaus herzlich in die Gruppe aufgenommen, obwohl ich damals noch eine unnötige Scheu vor manchen für mich ungewohnten "katholischen" Bräuchen der Pilger an den Tag legte und mich bei den Kirchen-Besuchen draußen auf ein Mäuerchen setzte. Und die Erstpilger-Medallie musste mir der Brudermeister geradezu aufdrängen.
Doch die vielen fruchtbaren Gespräche mit den Mitwanderern zeigten immer wieder ein reges gegenseitiges Interesse an den verschiedenen Sichtweisen zu wichtige Fragen des Lebens, und, wenn auch oft kein endgültiger Konsens gefunden wurde, war doch die Achtung vor dem Anderen und der Wunsch von einander zu lernen und sich gegenseitig weiterzubringen, jederzeit spürbar.Natürlich trug auch die herrliche Landschaft, die gute Luft und die oft in Phasen der "Stille" gepflegte meditative Stimmung, in der man eigenen Gedanken nachspüren kann, das ihrige dazu bei, die Pilgerfahrt zu einem Erlebnis werden zu lassen.Aber die Toleranz, die für diese Gemeinschaft nicht im passiven Zulassen sondern im aktiven Aufnehmen besteht, zeigt sich nicht nur an "Ungläubigen" wie mir und den evangelischen Christen, die sich der Gruppe angeschlossen haben, sowie natürlich an denen, die ab und zu durch Worte oder Taten für Verärgerung sorgen, sondern besonders auch an denen, deren Teilnahme überhaupt nur durch die intensive Hilfe der Mitreisenden möglich ist. Für Behinderte, Betagte und Kinder ist jederzeit jemand da, der sie notfalls unterstützen kann. Einige Pilger stellen sich immer wieder gern als Fahrer für die Begleitfahrzeuge zur Verfügung, die für jeden auftretenden Notfall erreichbar sind.Vor allem die Kinder und Jugendlichen fühlen sich in der undogmatischen Gruppe sehr wohl, so dass die Sankt Matthias Bruderschaft St. Tönis keine Nachwuchssorgen hat. Und so blieb ich dabei und bin auch nach dem zwanzigsten Mal nicht gewillt auf diese vier Tage im Frühling zu verzichten.
© Michael Schnell
Beate Schaepers, 2009: "Seit zehn Jahren dabei"
Aus dem Tagebuch einer Trierpilgerin
Alles begann 1996 in einem Schwimmbad.Während eines Schwimmwettkampfes in Dortmund erfuhr ich von der bevorstehenden Wallfahrt der St. Mathias Bruderschaft St. Tönis nach Trier.Nach Trier pilgern, davon hatte ich schon viel gehört, und somit war ich sehr neugierig: Was passiert auf den Pilgerpfaden in der Eifel ?
Also fragte ich den Brudermeister Richard Jacobs um Erlaubnis mitpilgern zu dürfen. Vier Tage hierzu einplanen, war machbar.Mit frisch geputzten Wanderschuhen stand ich 1996 an einem Donnerstagmorgen an der Kirche in Sankt Tönis. Nach der Messe fuhr uns ein Bus zum Gemündener Maar. Hier beginnt der Weg. Zunächst über den Lieserpfad zum Kloster Himmerod.
Übernachtet wird permanent an allen Tagen in Dodenburg, einem kleinen verschlafenen Nest in der Eifel. Weiter am nächsten Tag führte der Weg von Himmerod nach Dodenburg. Der 3. Tag ist dann der Premiumtag, er führt von Dodenburg bis Trier.Die Wallfahrt findet jedes Jahr im Mai statt. Die Natur in der Eifel zeigt sich in dieser Zeit von der prächtigsten Seite. Waldveilchen, Löwenzahn, Ginster leuchten um die Wette. Die Buchen strahlen in hellem Grün. Ich genieße jeden Schritt und erlebe sehr bewusst den Weg. Es ist schön die Seele baumeln zu lassen. Leider vergehen die Tage im Flug.In der Regel ist uns das Wetter sehr wohlgesonnen, aber wir haben auch schon Hagel und Sturm erlebt. Ich erinnere mich, wie in einem Jahr kurz vor Trier mein Regenschirm zusammenbrach.
Drei Jahre später erzählte Richard Jacobs so nebenbei, dass die Trier-Wallfahrt anstand. Spontan entschloss ich mich wieder mit zu pilgern.„Wie freute ich mich, als man mir sagte: Zum Hause des Herrn wollen wir pilgern"Diesen Leitspruch für das Jahr 1999 konnte ich sehr gut nachvollziehen. Ich wurde wieder gut in die Gemeinschaft aufgenommen und genoss es, durch die Eifel zu laufen. Ich konnte schöne Gespräche führen, aber auch alleine meinen Gedanken nachhängen. Den Rosenkranz beten, meine Familie in die Gebete einschließen, und was mir ganz wichtig war, auch mal ein Stück das Kreuz tragen.
Im Laufe der Jahre wurde für mich die Gemeinschaft immer intensiver. Ich freute mich das ganze Jahr darauf, mitzugehen. Es geht sehr familiär zu. Ein wunderbarer Brauch ist es, dass auch junge Familien mitgehen. Seit vielen Jahren existiert ein alter Kindersportwagen in dem die Jüngsten geschoben werden. Für die Eltern ein zusätzliche Aufgabe.
Zu den ganz besonderen Erlebnissen gehören die Musikdarbietungen der Familienväter: Christoph an der Orgel, Daniel mit dem Horn. In diesem Jahr unterstützte der inzwischen 10jährige Markus zum ersten Mal seinen Vater Christoph mit seiner Geige.
Eine weitere Bereicherung für die Pilger ist sicher der Kaplan der Gemeinde, der im letzten Jahr zum ersten Mal mit pilgerte und in diesem Jahr gleich seine Messdiener motivieren konnte.
Es wird Ökumene gelebt. In Ehrang dürfen wir seit einigen Jahren im Evangelischen Pfarrzentrum Mittagspause machen. Der Pfarrer lässt es sich nicht nehmen, uns immer zu begrüßen.Ja, und dann kommen wir in St. Mathias in Trier an. Feierlich wird sich vor der Basilika aufgestellt. Der Pilgerpater Hubert empfängt die Gruppe und geleitet sie in die Kirche. Hier werden dann nach einer kleinen Ansprache die Erstpilger und die Pilger, die 10 und 25 Jahre mitgegangen sind, besonders geehrt. 1996 gehörte ich also zu den Erstpilgern. Es war ein ergreifender Augenblick als ich die Pilgermedaille überreicht bekam. Nun wusste ich, was es heißt: „nach Trier pilgern". Die Strapazen waren schnell vergessen. Artig bedankte ich mich am Abend mit einem Schnaps und fuhr am nächsten Tag nach Hause.
Der Pilgervirus hatte mich erfasst. Dass dies nicht nur bei mir der Fall war, konnte ich im Laufe der Jahre erleben. Es wurden unterwegs Geburtstage gefeiert, sogar einmal Silberhochzeit.Ich wollte jedes Jahr dabei sein.Dies ist mir zwar nicht ganz gelungen, aber 2009 war ich dann das 10. Mal dabei. Nun gehöre auch ich zu denen, die ein Stück der großen Pilgerkerze besitzen.
© Beate Schaepers